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Freitag, 15. März 2013

DQ & SP Detailkritik (4)



Lesen Sie heute, was Jens Jürgen Korff zum dritten Kapitel des „Don Quijote & Sancho Pansa“ im Einzelnen zu sagen hat!


Der Inhalt in Kurzfassung:
 




JJK's Kommentare:


Zum 3. Kapitel: Die Dinge und ihre Ordnung

88: Sancho erinnert sich plötzlich, dass Verhaltensforschung und Psychologie auch Wissenschaften sind! Hört hört!
89: Schön, dass Sancho hier einmal auf die Existenz von Geistes- und Gesellschafts­wissenschaften zu sprechen kommt! Die Einteilung in Gesetzes- und Ereignis­wissenschaften ist interessant, zerlegt aber einzelne Wissenschaften wie Biologie und Soziologie. Die Physiologie zum Beispiel beschäftigt sich mit physikalischen und chemischen Gesetzen in Lebewesen, wäre also eine Gesetzeswissenschaft; Morphologie, Systematik und Evolutionsbiologie sind dagegen Ereigniswissenschaften. Ähnlich werden auch Soziologie und Pädagogik zerlegt, denn Teile dieser Wissenschaften versuchen durchaus, reproduzierbare Gesetze für ermitteln.
90: Wenn ich meine einzige Katze »Katze« rufe, ist das doch kein Kategorienfehler. Diese Anrede bezieht sich auf eine Rolle, die das Wesen für mich spielt. Diese Rolle wird nur von einer einzigen Katze erfüllt; deshalb kann ich sie auch »Katze« nennen. Genauso wie man seine Mutter »Mutter« oder »Mami« ruft.
91: Das Beispiel mit Äpfel und Birnen bzw. Äpfel und Boskoop ist überzeugend. Das mit den Beamten weniger.
Zurecht nennt DQ Formulierungen wie »die Farbe der Liebe« und »der Preis des Vertrauens« poetisch. Viele sind künstlerisch, dienen also dazu, subjektive Eindrücke zu schildern, Erzählungen lebendiger zu gestalten, Empathie herzustellen und die Leser auf neue Gedanken zu bringen. Es wäre Unfug, sie als Kategorienfehler in ein schlechtes Licht zu rücken. Schiller formulierte mit der Zeile »Die Liebe ist der Liebe Preis« eine wichtige Erkenntnis von Menschen. Es sind Sätze, die ganze Gedankengänge in wenigen Worten zusammenfassen, verdichten. Dichtung eben.
92: Im Dualismus von Leib und Seele bei Descartes kann ich zunächst keinen Kategorien­fehler erkennen. Man musste ja überhaupt erst darauf kommen, dass man über Leib und Seele, Materie und Geist, getrennt nachdenken muss. Das ist ja nach wie vor richtig, auch wenn man später feststellt wie sie sich gegenseitig beeinflussen.
Wenn man sagt »Das Gehirn denkt nach«, dann muss das kein Kategorienfehler sein, es kann auch eine rhetorische Figur sein, ein Pars pro toto. Man benutzt so etwas zum Beispiel, um einen Zusammenhang anschaulich zu erklären. Wittgensteins Sprachrigorismus würde die meisten Texte unlesbar machen.
97: Das berühmte Problem mit dem schwarzen Schwan scheint mir eher in die Irre zu führen – oder aufzuzeigen, dass Poppers Falsifikationsprinzip nicht überall anwendbar ist. Denn die wissenschaftlich begründete Beobachtung, dass Schwäne in der Regel weiß sind, wird durch einen schwarzen Schwan keineswegs zum Einsturz gebracht. Es ist ja auch kein Naturgesetz, dass Schwäne weiß sind, sondern es handelt sich um eine beschreibende Kategorisierung. Die Zoologie ist also keine Gesetzeswissenschaft. Das Problem der Ausnahmen, die die Analyse dennoch gültig sein lassen, kam auch bei Sanchos Automaten im Gedankenexperiment vor.
98: Das große Programm des wissenschaftlichen Arbeitens, das Sancho dort entwirft. stellt einen Idealzustand vor, den viele Einzelwissenschaften längst nicht erreichen, auch wohl nie erreichen können. Ich kenne zum Beispiel einen Entomologen (Insektenforscher), Michael von Tschirnhaus, persönlich, der ist nach eigener Auskunft einer von weltweit vier oder fünf Experten für kleine Fliegenarten. Wenn der in den Hohen Tauern, wo wir im Juli 2012 waren, eine bestimmte Fliegenart nachweist, die bislang dort noch niemand entdeckt hatte, dann muss diese einmalige Entdeckung unter Umständen jahrzehntelang als Nachweis dieser Fliegenart in einer bestimmten Region, Höhenlage usw. reichen. Kein anderer der vier Experten wird wohl jemals in die Hohen Tauern kommen und selber nach dieser Fliegenart suchen. Selbst etwas so Naheliegendes und Einfaches wie der Eisengehalt von Spinat, auf den wir in unserem Buch hinweisen, ist 40 Jahre lang nicht nachgemessen worden, so dass sich ein Rechenfehler 40 Jahre lang in der Literatur halten konnte.
99: Klasse und Kategorie scheinen mir etwas anderes sein als Haufen. Klasse als biologisches Taxon bezeichnet alle Lebewesen, die ganz bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben – unabhängig davon, wo sich diese Lebewesen gerade befinden. Wenn das ein Haufen sein soll, dann existiert er jedenfalls nur in den Köpfen von Wissenschaftlern.
100: Ein Biotop ist eigentlich nicht ein System aus mehreren Ameisenhaufen, sondern ein System, das aus dem Ameisenhaufen und seiner Umgebung besteht, also dem Lebensraum der Ameisen. Dazu gehören zum Beispiel mehrere Fichten und andere Pflanzen. Wie Sancho dann auch sagt: Die Bestandteile eines Biotops ähneln einander nicht.
101: Mir scheint schon, dass es viele fast reine Haufen gibt. Jeder Stein ist doch ein zufällig zusammengepresster Haufen von Mineralien und Kristallen, die sich kaum oder gar nicht gegenseitig beeinflussen.

Fortsetzung folgt.
Jens Jürgen Korff
August 2012



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