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Populäre Sachbücher, Philosophie und Wissenschaft "für jedermann"

Sonntag, 31. März 2013

DQ & SP Detailkritik (6)



Lesen Sie heute, was Jens Jürgen Korff zum fünften Kapitel des „Don Quijote & Sancho Pansa“ im Einzelnen zu sagen hat!




Der Inhalt in Kurzfassung: 

JJK's Kommentare:


Zum 5. Kapitel: Die seltsamen Schleifen des Seins

116: Die seltsamen Schleifen im modernen politischen Leben: Die Rolle der Medien geht dabei weit über die eines Vermittlers hinaus. Die Medien verfolgen eigene Interessen – und sei es nur das Interesse, mit dramatisierten Meldungen den eigenen Absatz anzukurbeln. Die Journalisten haben diese Rolle, die sie im Auftrag ihrer Verleger spielen, vollkommen verinnerlicht. Und so beeinflussen die Medien Politiker und Bürger gleichermaßen in ihrem Sinne.
117: Der Vergleich mit dem Möbiusband gefällt mir sehr gut! Allerdings hätte eigentlich DQ darauf kommen müssen, schließlich ist er in dem Gespann für Kunst zuständig. Schon alleine, weil Künstler eine ähnlich brotlose Existenz fristen wie Philosophen. Das ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie „nutzlose“ und „wirkungslose“ Kunst den Erkenntnis­fortschritt der Menschheit voranbringen kann.
Auch schön: die Anweisung der Eltern und das Spiel von Depressionen und fehlendem Sinn im Leben.
Die Frage, ob das Ei oder die Henne zuerst da war, ist meines Wissens geklärt, seit wir von der Evolution der Arten wissen: Da sich die Vögel aus den Reptilien entwickelt haben, muss das erste Vogelei von einem Reptil gelegt worden seien. Es war also eindeutig das Ei, jedenfalls das Vogelei, zuerst da. Die entscheidende Mutation zum Vogel fand während der Bildung des Eies statt.
118: Sanchos Satz »Je reicher wir werden, desto ärmer werden wir« und das weiter unten erwähnte Barbier-Paradoxon haben, wie mir scheint, etwas Wichtiges gemeinsam: Es sind beides Sprachspiele. Die Paradoxa kommen erst durch den fragwürdigen Sprachgebrauch in den Sätzen zu Stande. Im Satz über Reichtum und Armut ist das Wort »Wir« irreführend. In Ausbeutungsgesellschaften ist es zum Beispiel ganz normal und folgerichtig, dass die Reichen immer reicher und die Armen zugleich immer ärmer werden, eben durch die Ausbeutung. Das gilt aber letztlich auch, etwas abgeschwächt, für Gesellschaften wie unsere, in denen die Reichen viel schneller reicher werden als die Armen wohlhabender. Paradox wird es erst, wenn man Reiche und Arme zu einem falschen Wir-Kollektiv zusammenfasst.
Nun will ich Kurt Gödel ja nicht zu nahe treten, aber in seinem Barbier-Paradox scheint mir ein ähnliches Sprachprobleme vorzuliegen. In der Praxis rasiert der Barbier sich selbst und alle diejenigen, die sich nicht selbst rasieren. In dieser Form dürfte das System weder widersprüchlich noch unvollständig sein.
119: Komplexe Themen weisen Selbstorganisation und Komplexität auf, die mit linearen Wirkungsketten nicht zu erklären sind. Den Satz werde ich mir hoffentlich merken.
Im Folgenden beginnt ein merkwürdiger Rollentausch, der auf Seite 121 auch Sancho auffällt: Don Quijote übernimmt die Rolle eines wild gewordenen Wissenschaftlers, der sich einbildet, alle Ereignisse berechnen zu können. Das ist doch gerade der Irrtum vieler Wissenschaftler gewesen, oder zumindest doch vieler Wissenschaftsgläubiger. Was hat diese Vorstellung im Kopf eines skeptischen Philosophen zu suchen?
120: SP ahnt die Komplexität des Menschen und sagt ganz nebenbei, unser Immunsystem sei noch weitgehend unerforscht. Hoppla, das wirft doch allerlei Fragen auf! Könnte es sein, dass das der Grund dafür ist, dass die Wirkung homöopathischer Arzneimittel auf unser Immunsystem bis heute noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist? Um sie nachweisen zu können, müsste man halt etwas mehr von unserem Immunsystem verstehen.
Wie kommt es, dass ausgerechnet das Immunsystem, also etwas, das wirklich über Leben und Tod entscheidet, so schlecht erforscht ist? Könnte das damit zusammen­hängen, dass die Mediziner jahrzehntelang versucht haben, das Immunsystem durch Arzneimittel zu ersetzen? Und dass sie das Eigenleben des Immunsystems dabei eher gestört hat?
Ist das nicht ein weiterer Fall von Wissenschaftlern, die, fixiert auf einfache Ursache-Wirkungs-Ketten, die sie am liebsten wie Werkzeuge bedienen möchten, den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen? Abgesehen von den wirtschaftlichen Interessen der Pharma-Unternehmen, die dahinter stecken mögen. Wer mit der Heilung von Krankheiten Geld verdient, kann kein Interesse daran haben, dass die Menschen von alleine gesund werden.
»Das zentrale Problem der Komplexität ist nicht die schiere Menge der System­komponenten, sondern sind die verdeckten Rückkopplungen, die verborgenen Strukturen und Beziehungen.« Gut gesagt!
122: SP fragt ganz zu recht: Warum gibt es keine Evolutionsphilosophie? Er mahnt zu recht den Beitrag der Philosophie zur Komplexitätsforschung an. DQ antwortet leider nicht. Hier wäre ja zu untersuchen, inwiefern die Philosophie der Plurale (die so genannte post­moderne Philosophie: Foucault, Derrida, Lyotard, Barthes u.a., aber auch Luhmann) genau das ist. Leider ist sie ähnlich schwer verständlich wie die Quantenphysik.
125: Ach, da kommt er ja: Niklas Luhmann. SP verscheucht ihn aber gleich wieder, indem er ihn und seine Themen dem »Uferlosen« zurechnet.
DQ stellt am Ende dieses Dialogs fest: »Kausalität und Komplexität - Ursache und Wirkung bedingen sich nicht zwangsläufig.« Hier sagt er (was er Autor sicher weiß) das Gegenteil von dem, was er auf Seite 114 gesagt hat, dort als Fazit zum Kapitel Ursache und Wirkung. DQ könnte doch durchaus die Weiterentwicklung seines eigenen Standpunktes selbst zur Kenntnis nehmen. Einmal mehr ist er hier dümmer, als die Polizei erlaubt.
129: Jaja, die Kausalkettenneurose, die unser Denken beherrscht und unsere Inter­pretation der Wirklichkeit häufig verzerrt. Sie beherrscht aber auch das Denken vieler Wissenschaftler!
130: »Wir leihen Staaten Geld, damit sie Waffen bei uns kaufen können, damit wir Geld zum Verleihen bekommen.« Hier stiftet wiederum der falsche Gebrauch des Wortes »Wir« Verwirrung. Der Sinn wird schnell verständlich, wenn man es ersetzt: Deutsche Banken leihen anderen Staaten Geld, damit sie Waffen bei deutschen Rüstungskonzernen kaufen können, damit diese ihre Profite bei deutschen Banken abliefern können. Wo ist das Verständnisproblem?
Don Quichotes Interpretation »Ich denke, also werde ich« könnte geistreicher und weiser sein, als dem Autor bewusst ist. Dass Sancho Pansa sich am Ende dieses Artikels wiederum zum Lehrer aufschwingt und seinen Herrn Don Quijote zum Schüler degradiert, stellt eine fragwürdige Wendung des Gespräches dar. Immerhin passt es als Überleitung zum großen Streit, der im nächsten Kapitel ausbricht. Don Quichote hat endlich gemerkt, dass in den Gesprächen etwas permanent schief läuft.

Fortsetzung folgt.
Jens Jürgen Korff
September 2012

 

 


Mittwoch, 20. März 2013

DQ & SP Detailkritik (5)



Lesen Sie heute, was Jens Jürgen Korff zum vierten Kapitel des „Don Quijote & Sancho Pansa“ im Einzelnen zu sagen hat!



Der Inhalt in Kurzfassung: 


JJK's Kommentare:


Zum 4. Kapitel: Ursache und Wirkung

110: Zufall ist ein Ereignis, also eine Wirkung, deren Ursache wir nicht kennen. Gute Definition!
112: Sancho kommt auf die Eigenart der Menschen zu sprechen, an Vorbedingungen zu glauben, an vorgegebene Schicksale und dergleichen. Hier zeigt sich doch meines Erachtens, dass wir mit unserer Kausalkettenneurose (so Sancho, Seite 129) dazu neigen, die Wirklichkeit verzerrt wahrzunehmen. Wäre es nicht an der Zeit, dass Don Quijote als Philosoph einmal die Frage aufwirft , ob nicht auch die Wissenschaft mit ihrer Fixierung auf Kausalketten häufiger, als es sein müsste, den falschen Dampfer besteigt? Aber dazu müsste er sich ein wenig mehr von seinem Diener emanzipieren.
112: Ein Lektoratsproblem: In der Mitte der Seite fragt SP: Wir fragen: »Wie lässt sich der Zufall quantitativ erfassen?« Hinter solchen Sätzen kommt kein Punkt. Der Satz ist mit dem Fragezeichen und der Ausführung abgeschlossen. Der Vorsatz endet bereits mit dem Doppelpunkt.
113: Über die Frage »Determinismus oder Zufall in der Welt« und darüber, wie unser Gehirn damit umgeht, hätte ich auch an dieser Stelle gerne noch etwas mehr gelesen.
Die amerikanische Studie zum Risikopotenzial von Hochrisiko-Systemen steht in einem gewissen Widerspruch zu der Aussage Sanchos auf der Vorseite, ein bedeutsames Risiko, ob Unfall oder Lottogewinn, werde in seiner Eintrittswahrscheinlichkeit meist überschätzt. Das scheint zum Beispiel für Flugzeugabstürze zu gelten, weniger aber für Autounfälle, deren Risiko in meiner bescheidenen persönlichen Stichprobe eher gravierend unterschätzt wird. Bei Atomkraftwerken und Atomwaffen gehen die Risikoeinschätzungen wiederum weit auseinander, je nachdem ob man Gegner oder Befürworter dieser Techniken ist. Ein eindeutiger Bezug zur Bedeutung der Gefahr scheint nicht zu bestehen. So wird zum Beispiel das Risiko, die eigene Tochter könnte von einem unbekannten Sexualstraftäter auf der Straße entführt, missbraucht und ermordet werden, oft gravierend überschätzt, während das Risiko, dass das Mädchen überfahren werden oder gar bei einem Unfall mit dem eigenen Auto der Eltern umkommen könnte, unterschätzt wird. Unterschätzt wird auch meist die viel größere Gefahr, dass die Tochter von Familienmitgliedern, Übungs­leitern, sonstigen Vertrauenspersonen, Nachbarn oder gar vom Vater selbst, der gerade die Risikoabwägung vornimmt, missbraucht werden könnte. Das verallgemeiner­bare Prinzip scheint zu sein, dass Gefahren, die von außen kommen und auf die man überhaupt keinen Einfluss hat, eher überschätzt werden, während Gefahren, die von innen kommen, aus Bereichen, auf die man eigentlich Einfluss hätte, eher unterschätzt werden. So mag es dann auch kommen, dass Atomphysiker und Techniker die Risiken ihrer eigenen Geräte unterschätzen, denn sie glauben, ihre Geräte, ihre eigene Schöpfung, unter Kontrolle zu haben. Stattdessen fürchten sie sich lieber vor muslimischen Terroristen.
114: Warum muss Don Quijote in diesem Gespann eigentlich immer die Rolle des Dummkopfes übernehmen? Sind Philosophen denn dumm?

Fortsetzung folgt.
Jens Jürgen Korff
August 2012
 






Freitag, 15. März 2013

DQ & SP Detailkritik (4)



Lesen Sie heute, was Jens Jürgen Korff zum dritten Kapitel des „Don Quijote & Sancho Pansa“ im Einzelnen zu sagen hat!


Der Inhalt in Kurzfassung:
 




JJK's Kommentare:


Zum 3. Kapitel: Die Dinge und ihre Ordnung

88: Sancho erinnert sich plötzlich, dass Verhaltensforschung und Psychologie auch Wissenschaften sind! Hört hört!
89: Schön, dass Sancho hier einmal auf die Existenz von Geistes- und Gesellschafts­wissenschaften zu sprechen kommt! Die Einteilung in Gesetzes- und Ereignis­wissenschaften ist interessant, zerlegt aber einzelne Wissenschaften wie Biologie und Soziologie. Die Physiologie zum Beispiel beschäftigt sich mit physikalischen und chemischen Gesetzen in Lebewesen, wäre also eine Gesetzeswissenschaft; Morphologie, Systematik und Evolutionsbiologie sind dagegen Ereigniswissenschaften. Ähnlich werden auch Soziologie und Pädagogik zerlegt, denn Teile dieser Wissenschaften versuchen durchaus, reproduzierbare Gesetze für ermitteln.
90: Wenn ich meine einzige Katze »Katze« rufe, ist das doch kein Kategorienfehler. Diese Anrede bezieht sich auf eine Rolle, die das Wesen für mich spielt. Diese Rolle wird nur von einer einzigen Katze erfüllt; deshalb kann ich sie auch »Katze« nennen. Genauso wie man seine Mutter »Mutter« oder »Mami« ruft.
91: Das Beispiel mit Äpfel und Birnen bzw. Äpfel und Boskoop ist überzeugend. Das mit den Beamten weniger.
Zurecht nennt DQ Formulierungen wie »die Farbe der Liebe« und »der Preis des Vertrauens« poetisch. Viele sind künstlerisch, dienen also dazu, subjektive Eindrücke zu schildern, Erzählungen lebendiger zu gestalten, Empathie herzustellen und die Leser auf neue Gedanken zu bringen. Es wäre Unfug, sie als Kategorienfehler in ein schlechtes Licht zu rücken. Schiller formulierte mit der Zeile »Die Liebe ist der Liebe Preis« eine wichtige Erkenntnis von Menschen. Es sind Sätze, die ganze Gedankengänge in wenigen Worten zusammenfassen, verdichten. Dichtung eben.
92: Im Dualismus von Leib und Seele bei Descartes kann ich zunächst keinen Kategorien­fehler erkennen. Man musste ja überhaupt erst darauf kommen, dass man über Leib und Seele, Materie und Geist, getrennt nachdenken muss. Das ist ja nach wie vor richtig, auch wenn man später feststellt wie sie sich gegenseitig beeinflussen.
Wenn man sagt »Das Gehirn denkt nach«, dann muss das kein Kategorienfehler sein, es kann auch eine rhetorische Figur sein, ein Pars pro toto. Man benutzt so etwas zum Beispiel, um einen Zusammenhang anschaulich zu erklären. Wittgensteins Sprachrigorismus würde die meisten Texte unlesbar machen.
97: Das berühmte Problem mit dem schwarzen Schwan scheint mir eher in die Irre zu führen – oder aufzuzeigen, dass Poppers Falsifikationsprinzip nicht überall anwendbar ist. Denn die wissenschaftlich begründete Beobachtung, dass Schwäne in der Regel weiß sind, wird durch einen schwarzen Schwan keineswegs zum Einsturz gebracht. Es ist ja auch kein Naturgesetz, dass Schwäne weiß sind, sondern es handelt sich um eine beschreibende Kategorisierung. Die Zoologie ist also keine Gesetzeswissenschaft. Das Problem der Ausnahmen, die die Analyse dennoch gültig sein lassen, kam auch bei Sanchos Automaten im Gedankenexperiment vor.
98: Das große Programm des wissenschaftlichen Arbeitens, das Sancho dort entwirft. stellt einen Idealzustand vor, den viele Einzelwissenschaften längst nicht erreichen, auch wohl nie erreichen können. Ich kenne zum Beispiel einen Entomologen (Insektenforscher), Michael von Tschirnhaus, persönlich, der ist nach eigener Auskunft einer von weltweit vier oder fünf Experten für kleine Fliegenarten. Wenn der in den Hohen Tauern, wo wir im Juli 2012 waren, eine bestimmte Fliegenart nachweist, die bislang dort noch niemand entdeckt hatte, dann muss diese einmalige Entdeckung unter Umständen jahrzehntelang als Nachweis dieser Fliegenart in einer bestimmten Region, Höhenlage usw. reichen. Kein anderer der vier Experten wird wohl jemals in die Hohen Tauern kommen und selber nach dieser Fliegenart suchen. Selbst etwas so Naheliegendes und Einfaches wie der Eisengehalt von Spinat, auf den wir in unserem Buch hinweisen, ist 40 Jahre lang nicht nachgemessen worden, so dass sich ein Rechenfehler 40 Jahre lang in der Literatur halten konnte.
99: Klasse und Kategorie scheinen mir etwas anderes sein als Haufen. Klasse als biologisches Taxon bezeichnet alle Lebewesen, die ganz bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben – unabhängig davon, wo sich diese Lebewesen gerade befinden. Wenn das ein Haufen sein soll, dann existiert er jedenfalls nur in den Köpfen von Wissenschaftlern.
100: Ein Biotop ist eigentlich nicht ein System aus mehreren Ameisenhaufen, sondern ein System, das aus dem Ameisenhaufen und seiner Umgebung besteht, also dem Lebensraum der Ameisen. Dazu gehören zum Beispiel mehrere Fichten und andere Pflanzen. Wie Sancho dann auch sagt: Die Bestandteile eines Biotops ähneln einander nicht.
101: Mir scheint schon, dass es viele fast reine Haufen gibt. Jeder Stein ist doch ein zufällig zusammengepresster Haufen von Mineralien und Kristallen, die sich kaum oder gar nicht gegenseitig beeinflussen.

Fortsetzung folgt.
Jens Jürgen Korff
August 2012



Mittwoch, 13. März 2013

Leckerbissen (Tidbits) 8



NGO-online setzt dem Einerlei der Medien eine echte Alternative entgegen und produziert Nachrichtenbeiträge jenseits des Mainstream. Sie hat mich gebeten, eine kleine Kolumne zu eröffnen --- Titel:
zum (ver-)zweifeln

Nun hätte ich frei nach Groucho Marx antworten können:

"Ich möchte nicht für eine Zeitung schreiben, bei der jemand wie ich zu den Autoren gehört"

Aber ich dachte: Warum nicht?! Und das ist darau entstanden:


Die Cookies von Amazon haben mir sogar rechts mein eigenes Buch empfohlen! Wunder der Algorithmen!

Lesen Sie den vollständigen Text!

Samstag, 9. März 2013

Leseprobe aus „Denken – Nach-Denken – Handeln“

Da mal wieder über "Alternativmedizin" diskutiert wird (u. a. bei Amazon hier und an einer zweiten Stelle), mächte ich dazu eine Leseprobe aus „Denken – Nach-Denken – Handeln. Triviale Einsichten, die niemand befolgt“ beisteuern:


Alternative Medizin hat sich seit Jahrtausenden bewährt


Vielleicht werde ich jetzt übermütig und schreibe mich um Kopf und Kragen. Etwas Kritisches über „Alternative Medizin“ zu sagen ist fast ebenso tabuisiert wie ein Angriff auf den religiösen Glauben. Deswegen möchte ich nur eine kleine Begebenheit erzählen und auf den Zusammenhang dieser Geschichte mit unserem Thema „Selektive Wahrnehmung und Selbsterfüllende Prophezeiung“ hinweisen.

Zuerst die Geschichte: Ich erwachte eines Tages mit Schmerzen in der linken Schulter, die ich auf das nachts geöffnete Fenster und meine Schlaflage auf der rechten Seite zurückführte. Obwohl ich von da an das Fenster geschlossen hielt und einige Selbstbehandlungsversuche mit Wärme und Wärmesalben unternahm, blieben die Beschwerden. Der Besuch bei einem guten Facharzt ergab die Diagnose: Entzündung (welcher Art, das habe ich vergessen). Er sagte auch, dass sie spontan aufträte und erfahrungsgemäß nach ein bis zwei Jahren (!) wieder verschwände. Mehr könne man nicht zur Heilung unternehmen, aber zur Linderung der Schmerzen seien physiotherapeutische Maßnahmen sicher angebracht. So begab ich mich in die sanften Hände einer netten jungen Dame, die mich mit leicht schwäbelnder Stimme in die Geheimnisse ihres Berufes und die der Astrologie einführte, während sie meinen Arm durch alle Tierkreiszeichen drehte. Ich verließ die Praxis in angenehmer Trance und in freudiger Erwartung der versprochenen Linderung. Nach zehn Sitzungen hatte sich diese zwar noch nicht eingestellt, aber ich hatte auf Krankenschein angenehme Stunden verlebt.
Eigentlich wäre ich ja zumindest ein perfekter Kandidat für einen handfesten Placebo-Effekt[1] gewesen. Man nennt es auch „Kontexteffekt“, und er beruht weitgehend auf Suggestion. Auslösend sind dabei Faktoren wie eine positive Erwartungshaltung der Patienten gegenüber den „alternativen Methoden“ bzw. eine negative Haltung gegenüber der als unwirksam erlebten „Schulmedizin“ oder eine erhöhte Zuwendung des Behandelnden. Verkürzt gesagt ist es eine „Selbsterfüllende Prophezeiung“: Die seelenlose Schulmedizin[2] kann mir nicht helfen, die seit Jahrtausenden bewährte Erfahrungsmedizin ist ihr weit überlegen. So gibt es viele Heilverfahren, die das Prädikat „Wer heilt, hat Recht“ genießen, die aber keine überzeugenden spezifischen Wirksamkeitsnachweise besitzen. Sie haben auch keinen plausiblen Wirkungszusammenhang, kein verifizierbares Erklärungsmodell. Dazu gehören etwa Homöopathie und Akupunktur. Es gibt z. B. Studien zum Vergleich von Akupunktur zu einer schulmedizinischen Therapie[3], die keine positiven Ergebnisse zeigen, die über den Kontexteffekt hinausgehen. Beispielsweise haben diese Studien gezeigt, dass Akupunktur auch wirkt, wenn die Meridiane nicht getroffen werden.
Was soll ich Ihnen sagen: Nach etwa acht Monaten erwachte ich eines Tages ohne Schmerzen in der linken Schulter – sie kamen nie wieder. Ein „Wunder“, eine Langzeitwirkung der Physiotherapie, eine „Spontanheilung“, ein Zufall?[4] Eine so genannte „Spontanheilung“ ist nach neueren Untersuchungen vermutlich eine Leistung des enorm komplexen und weitgehend unerforschten Immunsystems[5]. Vielleicht war ich unabsichtlich in das Energiefeld eines Fernheilers geraten? Ich werde es nie wissen. Aber es ist ein weiteres Puzzlesteinchen in meinem Glauben, der Körper werde oft selbst mit seinen Problemen fertig. Nicht umsonst gibt es die (Tucholsky zugeschriebene) Regel: „Eine Grippe dauert zwei Wochen, wenn man etwas dagegen tut, und vierzehn Tage, wenn man nichts dagegen tut“. Das mag vielleicht bei einer echten Grippe nicht zutreffen, bei einer „normalen“ Erkältung ist das aber sicher ein Argument.
Den erwähnten Wahlspruch „Wer heilt, hat Recht“ nehmen ja viele „Heiler“ in Anspruch, die über einen kausalen Zusammenhang zwischen ihren Bemühungen und dem Resultat nur Verschwommenes äußern können – für das, wenn es denn stimmen würde, die Gesetze der Physik umgeschrieben werden müssten (man denke nur an „Fernheilung“ durch Telepathie). Die logische Fortsetzung dieses Gedankens würde ja bedeuten, dass nicht nur „Heiler“ ihre übernatürlichen Kräfte auf Menschen anwenden könnten, sondern auch „Unheiler“: Krankmacher, Hexer und Hexen, Voodoo-Prieser, Flüche statt Gebete. Wollen wir wirklich in diese mittelalterlichen Wahnvorstellungen zurückfallen? Das überlassen wir doch lieber den Bühnenmagiern („Mentalisten“) der Uri-Geller-Show. So plötzlich und unerwartet, wie eine Krankheit kommt, so kann sie doch auch wieder verschwinden. Das kennt man ja sogar von technischen Apparaten: „Plötzlich geht er wieder!“.
Therapeuten sind oft nicht im aktiven Sinne Heiler. Die etymologische[6] Wurzel des Wortes im Altgriechischen steckt in therapeutés, das bedeutet „der Diener, Aufwartende, Wärter, Pfleger“. „Therapie“ ist eigentlich ein „zur Heilung hin begleiten“, und das ist ein sinnvoller ganzheitlicher Ansatz, der den Kranken in den Vordergrund stellt und das Wirken des Arztes nicht auf eine bloße Reparatur beschränkt.
Was ist nun aber mit den unbestreitbar zu beobachtenden Heilungen? Die Heiler, sie sind es ja nicht, die heilen – es ist der Organismus des Kranken selbst, der es schafft, die Krankheit zu überwinden. Viele Krankheiten kommen, ohne dass man einen verlässlichen kausalen Zusammenhang herstellen könnte. Ihr seelische Ursachen zuzuschreiben, ist vielleicht nicht falsch, schwächt aber die seelische Kraft des Patienten, der genau diese innere Stärke braucht, um wieder zu gesunden (das Dogma der „Selbstheiler“). Dass jede Krankheit selbstverschuldet ist oder Ursachen in der Seele oder der Lebensführung hat, bürdet den Opfern eine zusätzliche (krankmachende) Last auf und ist ein klassischer Zirkelschluss[7], der als Selbsterfüllende Prophezeiung gewaltiges Unheil anrichten kann. Aber vielleicht sind diese okkulten Heilungen auch nur eine konstruierte Wirklichkeit der Art, wie sie im Bavelas-Experiment in Kapitel 4.1 beschrieben wurde: Ein zufälliges Ereignis (hier die Heilung) muss erklärt werden, bietet aber kein Erklärungsmuster und wird daher mit einer abstrus versponnenen Deutung versehen. Ein demütig das Unerklärliche akzeptierendes „Ich bin krank geworden und ich bin wieder gesund geworden“ würde doch eigentlich ausreichen. Obwohl natürlich niemand bestreitet, dass positive oder negative Gedanken den Körper beeinflussen können – das weiß jeder Verliebte oder jeder Kandidat mit Prüfungsangst.
Während wir zum Wirken und Wesen des Zufalls noch viel sagen werden (Kapitel 11), soll hier der Gesichtspunkt der Selbsterfüllenden Prophezeiung noch abschließend beleuchtet werden. Es sind die unspezifischen (psychologischen) Effekte der Behandlung, die zur (begrüßenswerten) Heilung führen. Die positiven bzw. negativen Erwartungshaltungen der Patienten hatte ich ja schon erwähnt. Vielleicht gehören die „Heilungsrituale“ mit fremdem kulturellen Hintergrund oder gar das Erleben einer invasiven Technik (Nadelung) auch zur Heilungswirkung. Selbst Scheinoperationen erreichen auf manchen Gebieten die Erfolgsquote realer Eingriffe[8]. Von Ethikkommissionen werden Scheinoperationen kritisch bewertet. Sie seien nur dann vertretbar, wenn nur vernachlässigbare Risiken bestehen und der Patient sorgfältig aufgeklärt werde. (Das bereitet Sie schon auf das Kapitel 8 über Paradoxie vor.) Zumindest gibt es auf diesem Gebiet viele Anzeichen für eine klassische Konditionierung: das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern in der Ausprägung, dass schon ein bestimmter Reiz (Placebo-Gabe) die Reaktion (Heilung) auslöst – ein „Lernen am Erfolg“.
Und was die „seit Jahrtausenden bewährten“ alternativen Verfahren angeht: Wenn das Alter das einzige Kriterium ist, dann haben sich auch die Hinrichtung von Verbrechern, die Beschneidung von Millionen von kleinen Mädchen und die gesamte Unterdrückung der Frau bewährt. Denn der Volksmund sagt (obwohl das anders gemeint ist): „Alter schützt vor Torheit nicht.“
Triviale Einsichten:
  • Ja zum Heilungsergebnis, nein zum pseudowissenschaftlichen Wirkungszusammenhang.
  • Das Alter eines (Aber-)Glaubens ist kein Beweis für seine Richtigkeit.


[1] Im erweiterten Sinne gehören zum Placebo-Effekt neben wirkstofffreien Medikamenten auch alle anderen therapeutischen Maßnahmen, die ohne naturwissenschaftlichen Nachweis einer spezifischen Wirkung trotzdem eine positive Reaktion am Patienten bewirken können.
[2] Studien haben z. B. ergeben, dass beim Arzt im Schnitt etwa 8 Minuten für das „Patientengespräch“ aufgewendet werden – Diagnose und Therapievorschlag.
[3] GERAC (german acupuncture trials = deutsche Akupunkturstudien) hat 6 Studien im Internet: http://www.gerac.de/.
[4] Wunderheilungen im Unterschied zu Spontanheilungen widersprechen vermeintlich den bekannten Naturgesetzen.
[5] „Miracle Survivors“ in FORTUNE 2.3.2009.
[6] Etymologie (von altgriech. étymos = wirklich, echt und -logie = die Lehre von etwas) ist ein Wissenschaftszweig der historischen Linguistik.
[7] Lateinisch: circulus vitiosus (oft auch umgangssprachlich verwendet), wörtlich: fehlerhafter Kreis.
[8] Jörg Blech: Schattenseite der Medizin, DER SPIEGEL 35/2005, 29.08.2005, S. 132 und Oliver Wittkowski: Fortschritte bei der Placebo-Forschung, SWR Fernsehen (Odysso - Wissen entdecken), 15.11.2007, 22:00.

Freitag, 8. März 2013

Interview zu "DQ & SP"



Was findet man, wenn man „Dummheit“, „Esoterik“ und „Vernunft“ googelt? 


Dummheit
Esoterik
Vernunft



Das Interview von Jens J.Korff M. A.  in NGO-online. Diese Internet-Zeitung setzt der deutschen Medienlandschaft einen neuen Journalismus in über 18.000 Artikeln entgegen.
JJK hat mich zu „Eine phantastischeReise durch Wissenschaft und Philosophie. Don Quijote und Sancho Pansa imGespräch“ ausführlich befragt.






Hier ist das vollständige Interview



Montag, 4. März 2013

Glanz & Elend des „DQ & SP“



Beinahe wäre es mir entgangen: Timotheus Schneidegger hat in Glanz&Elend – Magazin für Literatur und Zeitkritik seit 29.12.2012 eine scharfzüngige Rezension des „Don Quijote &Sancho Pansa“ online. Hier einige Auszüge, bei denen ich die Rosinen herausgepickt habe (auf die Kritikpunkte muss man den geneigten Blog-Leser ja nicht unbedingt stoßen).



Hinter dem wohl abscheulichsten Cover der Buchgeschichte verbirgt sich Jürgen Beetz’ literarisch-philosophische Umsetzung einer charmanten Idee: Der verträumte Herr von der Mancha und sein lebenstüchtiger Knappe Sancho Pansa sind unsterblich und haben alle Zeit der Welt, um sich mit deren Fragen zu beschäftigen.
[…]
schöner sind die durch übermäßige Lektüre und Grübelei verursachte Bewusstseinsstörung namens Philosophie und die von ihr Betroffenen nicht zu versinnbildlichen.
[…]
Beetz bleibt dabei der platonischen Dialogform treu, einzig in den Einleitungen wird beschrieben, wo wir den Zwiegesprächen zwischen Don Quijote und seinem augenrollenden Handlanger lesend zuhören dürfen. Denn wie damals sind sie ständig unterwegs – der Ritter von der traurigen Gestalt in seinem klapprigen Renault R4 (Rosinante ist vom Fluch der Unsterblichkeit verschont geblieben.), sein Knappe hinterher auf einem Moped mit Navigationsgerät.
[…]
…schließlich haben die Personifikationen von Philosophie und Wissenschaft über sämtliche Menschheitsfragen zu streiten, oft genug mit der Einigung darauf, sich nicht einig zu sein: Logik, Ontologie, Kausalität, Epistemologie, Sprache, Denken, Wissen, Fühlen, freier Wille, Ethik, Wirtschaft und der Sinn des Lebens – Beetz hat sich für seine Helden viel vorgenommen.
[…]
Auch wo dem Hidalgo oder seinem Knappen die Worte lebender und toter Philosophen und Wissenschaftlern in den Mund gelegt werden, wird die Quelle sorgfältig verzeichnet. Bei knapp 500 Endnoten sollte der interessierte Leser immer den Daumen zwischen den hinteren Buchseiten lassen.
[…]
Die lustigen Momente versöhnen mit dem Buch, etwa wenn Quijote in der Diskussion um den Sinn des Lebens seinen Knecht Pansa, der sich qua Wissen um die Bedienung des Geldautomaten unersetzlich wähnt – gut hegelianisch abwatscht: »Wenn einer von uns beiden stirbt, gehe ich auf mein Landgut zurück.«

So einfach können letzte Dinge sein.

Hier die vollständige Rezension.



Sonntag, 3. März 2013

Leckerbissen (Tidbits) 6

Was hält Don Quijote von alternativer Energie?

(Tidbits 7 war schon raus, bevor 6 eine Chance hatte)

Sehen Sie es selbst hier!

Freitag, 1. März 2013

DQ & SP Detailkritik (3)



Lesen Sie heute, was Jens Jürgen Korff zum zweiten Kapitel des „Don Quijote & Sancho Pansa“ im Einzelnen zu sagen hat!

Der Inhalt in Kurzfassung: 





JJK's Kommentare:



Zum 2. Kapitel: Die gemeinsame Basis – die Logik


64: DQ fragt: Warum gibt es nicht nichts? Wieso gibt es Gravitation? Woher kommen die Gesetze der Natur? – Mich interessiert eigentlich mehr: Woher kommt die Gewalt? Warum gibt es Musik?
SP: »Natur und Logik sind eins, irgendwie.« – Das erscheint mir anders. Die Natur enthält eine Menge Zufall, und Zufall entzieht sich der Logik. Ein wesentlicher Bestandteil der Natur kommt in der Logik also nicht vor.
DQ stellt dann die wichtige Frage: Folgen die Naturgesetze den vorgegebenen Gesetzen der Logik oder ist es umgekehrt: haben wir die Logik durch Beobachtung der Naturgesetze gebildet? Kopiert unsere Logik also etwas, das wir in der Natur beobachtet haben? Diese Frage bleibt am Ende m. E. unbeantwortet. Sanchos Beispiel mit dem Ziegelstein auf den schrägen Brett überzeugt mich nicht.
65: Zum Ziegelstein: Ich vermute, dass es in der Natur genauso widersprüchlich ist wie hier beschrieben: der Stein ruckt beim Runterrutschen. Er reißt sich immer wieder los und kommt dann wieder kurz zum Halt. Wenn wir das als unlogisch empfinden, zeigt das Beispiel eher, dass unsere logischen Sätze die Natur offenbar nur unvollkommen abbilden.